Joschua Knüppe entwirft für seine Welt Nea ein einzigartiges Ökosystem: Fauna und Flora leitet er nicht nur von heute lebenden Arten ab, seine Zeichnungen könnten direkt aus einem Naturlexikon stammen. Eine Fingerübung für den Kunststudenten, der sich auf Paläokunst spezialisiert. Im Interview mit Weltenbau Wissen verrät er, was hinter Nea steckt und wie er von Dinosauriern zum Weltenbau kam.
Viele deiner Arbeiten konzentrieren sich auf naturalistische Illustrationen von urzeitlichen Pflanzen und Tieren, die du möglichst lebensnah und wissenschaftlich sauber darstellen willst. Woher kommt diese Faszination?
Das fing bei mir in frühester Kindheit an. Heute will ich vor allem Wissen anhäufen. Dazu kommen die unbekannten Variablen, die bei der Rekonstruktion von ausgestorbenen Lebensformen immer auftreten. Paläokunst, wie ich sie betreibe, balanciert immer zwischen Wissenschaft und Kunst. Wir müssen wissen, was der Paläontologe weiß, wir müssen wissen, was er nicht weiß und am besten macht man sich gleich noch Gedanken über Dinge, an die bisher niemand gedacht hat. Es ist ein großes, komplexes Spiel mit dem Vokabular der Natur.
Neben Bildern „echter“ Spezies, die auf Fossilienfunden basieren, findet man bei dir auch jede Menge Drachen und inzwischen einen ganzen Katalog von erfundenen Spezies, die auf der Welt Nea leben. Wann hast du angefangen, auch fiktive Arten in diesem Stil einzufangen?
Initialzündung für meine Beschäftigung mit fiktiven und mythologischen Kreaturen war wahrscheinlich das Buch Expedition in die geheime Welt der Drachen, da war ich zwölf oder dreizehn. Bis dahin hatte ich von Drachen die Finger gelassen, für mich waren das immer nur Möchtegern-Dinosaurier. Aber in diesem Buch entdeckte ich erstmals Darstellungen von Drachen als Teil der physischen Welt. Es gab Bilder ihrer Anatomie und Beschreibungen von Verhaltensweisen. Seitdem habe ich mich selbst an biologisch möglichen Tieren und später auch Pflanzen versucht und gelangte schließlich bei spekulativer Evolution an. Inzwischen sind alle meine Projekte in einem Netzwerk miteinander verbunden, das mehr als 100 Millionen Jahre in die Vergangenheit und auch viele Millionen Jahre in die Zukunft reicht und sich über gut ein Viertel unserer Milchstraße erstreckt.
Die Welt Nea, an der du zur Zeit sehr intensiv arbeitest, ist ein Teil dieses Netzwerks. Was macht Nea aus?
Nea ist ein sehr erdähnlicher Planet, nur wenige Lichtjahre von unserem Heimatplaneten entfernt. Er besitzt zwei kleine Trabanten und ist der zweite Planet innerhalb des Systems. Er ist der erste Planet außerhalb des Sonnensystems, der von der Menschheit kolonisiert wird. Nach anfangs unbemannten Missionen, die eine bewohnbare aber leblose Oberfläche vorfanden, leiteten Dronen das Terraforming ein und begannen die Atmosphäre durch Algen und einige andere Photosynthese betreibende Organismen zu verändern. So konnte innerhalb von 300 Jahren der Sauerstoffgehalt des Planeten von acht auf 15 Prozent gesteigert werden. Nea ist sehr trocken, große Teile der Oberfläche sind von ariden bis hyperariden Wüsten bedeckt. Trotzdem konnten sich hier zahlreiche Tier- und Pflanzenarten ansiedeln lassen und auch Menschen haben sich erfolgreich auf Nea niedergelassen. Die ersten Kolonisten tauften den Planeten liebevoll „den schönsten Fleck der Hölle“.
Bilderstrecke: Fauna und Flora auf Nea
Wie gehst du vor, wenn du eine Art für Nea erfindest?
Ausgangsmaterial für alle Kreaturen Neas sind Arten, die schon hier auf der Erde unter sehr unwirtlichen Bedingungen zurechtkommen. Sie sollten am besten in ariden Regionen zu finden sein und idealerweise auch dünne Luft vertragen können. Viele der neanischen Tierarten stammen beispielsweise ursprünglich vom Altiplano in Chile, einer sehr trockenen Hochebene. Ich stelle mir vor, wie sie mit den neanischen Bedingungen zurechtkommen und ich versuche zu erraten, welche Wege die Evolution nehmen könnte. So hat sich das Dünenmeer des Planeten zu einem sehr artenreichen Lebensraum entwickelt, in dem viele sandschwimmende Tiere leben, zum Beispiel der Sandhai oder Blauschnauzen Sandguppys. An manchen Stellen helfe ich der Natur auch ein wenig unter die Arme und setze voraus, dass die Arten epigenetisch bis genetisch verändert wurden, damit sie besser auf Nea überleben können oder in manchen Fällen für den Menschen einfach ansprechender sind.
Joschua Knüppe studiert freie Kunst an der Kunstakademie Münster. Alle Arbeiten zu seinem Projekt Nea und viele weitere Zeichnungen sind auf seinem DeviantArt-Profil zu finden. Updates seiner Galerie gibt es auch auf Facebook.
Alle Bilder: (c) Joschua Knüppe
Beeindruckend!