Rezension The Kobold Guide to Worldbuilding

Rezension: The Kobold Guide to Worldbuilding

Über Weltenbau für Rollenspiele gibt es wenig professionellen Rat, dabei ist das Herz jedes Rollenspiels sein Setting. Bereits 2012 hat Wolfgang Baur, Herausgeber des renommierten US-Rollenspielmagazins Kobold Quarterly, das Problem angepackt: Er versammelte führende Spieldesigner, um ein Kompendium zum Weltenbau für Pen-&-Paper-Rollenspiele zu verfassen. Der Kobold Guide to Worldbuilding soll 2016 dank Crowdfunding auch auf Deutsch im Ulisses Spieleverlag erscheinen – Zeit für eine Rezension.

Rezension The Kobold Guide to Worldbuilding
The Kobold Guide to Worldbuilding, (c) Open Design LLC.

Weltenbau für Rollenspiele ist eine komplizierte Angelegenheit, das wird spätestens nach den ersten zwei Kapiteln des Kobold Guide to Worldbuilding klar: Wo Schriftsteller Welten erschaffen, um dort anschließend ihre Geschichte zu erzählen, müssen Rollenspieldesigner Settings ersinnen, aus denen Spielleiter für ihre Abenteuer und Kampagnen voll schöpfen können. Da reicht Material für einen starken Antagonisten nicht aus, es muss Platz für dutzende sein. Und dann muss die Welt auch noch vielen Spielern gefallen, wenn sie kommerziellen Erfolg haben soll. Liefert der Kobold Guide to Worldbuilding das Rezept, um dies alles unter einen Hut zu bekommen? Nein. Aber er weist den Weg.

Das Herz: Der reiche Erfahrungsschatz der Autoren

Insgesamt 18 Kapitel von elf verschiedenen Autoren widmen sich dem Thema, doch davon kann man höchstens die Hälfte als konkrete Anleitung oder Tutorial betrachten. Das knapp 120 Seiten starke Buch setzt vor allem auf Essays, die auf den Erfahrungen der Autoren fußen. Und die sind nicht zu unterschätzen: Monte Cook, aktuell gefeiert für Numenera, steuert ebenso einen Text bei wie Chris Pramas, Ex-Creative Director bei Wizards of the Coast, oder Jeff Grubb, einer der Köpfe hinter den populären Dungeons & Dragons (D&D) Settings „Dragonlance“ und „Forgotten Realms“. Überhaupt findet sich das US-Rollenspiel-Schwergewicht D&D in den Biografien fast aller Autoren. Einige sind echte Spezialisten, zum Beispiel ist auch der Kartografieprofi Jonathan Roberts (ein Freund des Hauses) dabei.

Für angehende Weltenschöpfer sind die Anregungen sehr wertvoll

Wolfgang Baur und seine Mitstreiter machen viele Fässer auf, das Spektrum reicht von geeigneten Vorgehensweisen beim Weltenbau über ein Plädoyer für mehr monotheistische Religionen in Fantasy-Welten bis zu den Auswirkungen von Technologien auf eine Gesellschaft. Eine Tour de Force, die dabei hilft, das Thema des eigenen Settings klarer zu definieren und einen roten Faden zu finden.

Der Guide bezieht sich dabei stets auf Fantasy und richtet sich vornehmlich an Rollenspieldesigner. Doch auch Spielleiter profitieren von den Artikeln, viele Tipps lassen sich in einzelnen Abenteuern am Spieltisch umsetzen (das Paradebeispiel: „Wie man einen mysteriösen Kult entwirft“). Die von den Autoren angeführten Beispiele stammen natürlich ausschließlich aus dem US-Markt, prominente Vertreter sind D&D und Pathfinder. Etwas ermüdend ist die ständige Bezugnahme auf das höchstens in Kennerkreisen bekannte Midgard-Setting in den Artikeln von Wolfgang Baur: Von 18 Artikeln steuert er sieben bei und wird dabei nicht müde, sein aktuellstes Projekt in jede Lücke zu quetschen.

Gefangen im US-Markt?

Die US-Herkunft und tiefe Verwurzelung vieler Autoren im D&D-Dunstkreis führt leider auch dazu, dass es selten gelingt, in Beispielen aus den gängigen Stereotypen und Klischees moderner Fantasy-Rollenspiele auszubrechen. Erst im letzten Kapitel hält Baur ein Plädoyer für mehr Fokus und Mut bei kreativen Entscheidungen. Hier verschenkt der Guide Möglichkeiten, Nachwuchsdesigner auf ihren eigenen Weg zu schicken – besonders von Autoren wie Monte Cook oder Chris Pramas wünscht man sich mehr Impulse in diese Richtung. Das ist allerdings Kritik auf einem hohen Niveau: Der sachlichen Qualität und Tiefe tut das keinen Abbruch.

Die deutsche Ausgabe wird ausgebaut

Es bleibt abzuwarten, ob der Ulisses Spieleverlag die Gelegenheit nutzt, in der deutschen Übersetzung den US-Fokus etwas abzumildern und einige offene Flanken zu ergänzen. Ein zusätzliches Vorwort von Wolfgang Baur und zwei deutsche Essays von Daniel Simon Richter und Lars-Hendrick Schilling sind dank des großen Erfolgs bei der Finanzierung schon angekündigt. Die Crowdfunding-Kampagne für Des Kobolds Handbuch der Welterschaffung läuft noch bis zum 9. November 2015 und beinhaltet auch andere Handbücher aus der Kobold Guide Reihe.

Wer als Spieldesigner einen Wegweiser beim Aufbau eines eigenen Settings sucht oder als Spielleiter Anregungen für die private Kampagne braucht, ist in jedem Fall mit dem Kobold Guide to Worldbuilding gut bedient, zumal das Preis-/Leistungsverhältnis stimmt. Mindestens ein neuer Blick auf das eigene Projekt ist garantiert.

Baur, Wolfgang (Hrsg.): The Kobold Guide to Worldbuilding, Open Design LLC, 2012. Taschenbuch, ca. 17 Euro/20 US-Dollar.

2 Gedanken zu „Rezension: The Kobold Guide to Worldbuilding“

    1. Ich bin sehr gespannt, ob im Nachgang noch mehr draus wird. Sehr cool, dass Ulisses in das Thema Spieltheorie und alles, was dazugehört, investiert.

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