Eine schicke (Welt-)Karte sorgt für Orientierung und im besten Fall für Flair. Zu ansehnlichen Ergebnissen kommt man aber meist nur mit viel Aufwand und nicht jeder bringt das richtige Zeichentalent mit. Inkarnate Worlds will Abhilfe schaffen und bietet ein Online-Tool, mit dem Karten nicht nur optisch gelingen, sondern auch sehr schnell erstellt sein sollen.
Die Entwickler von Inkarnate Worlds versprechen schicke Karten im Fantasy-Stil, ohne dass dafür Begabung oder Know-how nötig sein sollen. Und obendrein soll das Tool genug Tiefe bieten, sodass sich auch Power-User noch kreativ austoben können. Vor allem für Rollenspielrunden daheim ein verlockendes Angebot, doch prinzipiell für jeden Weltenschöpfer nützlich.
„Worlds“ ist dabei eigentlich nur ein Teil eines größeren Rundum-sorglos-Pakets für Pen-&-Paper-Rollenspieler: Im Herbst 2012 wollte das Inkarnate-Team seine Suite durch eine Kickstarter-Kampagne finanzieren. Die Kampagne scheiterte trotz einer beachtlichen eingesammelten Summe von 20.000 US-Dollar. Trotzdem bewies das Team einen langen Atem und machte in seiner Freizeit weiter. 2014 ging „Worlds“ als erster Abschnitt der Inkarnate-Suite in den offenen Beta-Test, der bis heute läuft und für den sich jeder nach wie vor kostenlos anmelden kann.
Der Schnelltest
Können die Entwickler ihr Versprechen halten? Nach kurzer Einarbeitung in die Werkzeuge gelang im 30-minütigen Inkarnate Test immerhin dieses Stück:
Hilfreich sind natürlich Vorstellungsvermögen, eine gute Idee und Grundkenntnisse über Geographie. Das Tool hilft aber tatsächlich sehr dabei, schnell atmosphärisch anmutende Landschaften zu entwerfen. Wer mehr Zeit und Mühe investiert, gelangt zu detaillierteren Ergebnissen wie diesem:
Wie funktioniert das genau?
Nach der Anmeldung gelangen Nutzer in eine Übersicht ihrer bereits erstellten Karten, wo sie existierende Werke bearbeiten oder neue erstellen können. Inkarnate erfordert keinen Download, alles läuft im Browser. Wer eine neue Karte erstellt, wird von dieser Oberfläche begrüßt:
Anordnung und Logik der Werkzeuge sind an bewährte Designs aus Grafikprogrammen von Paint bis Photoshop angelehnt: Das linke Menü enthält alle verfügbaren Werkzeugtypen. Über das obere Menü werden feinere Einstellungen der Werkzeuge vorgenommen. Übrigens: Die Standard-Textur der leeren Leinwand mit ihren Schattierungen und Strukturen ist vorgegeben und lässt sich nicht ändern.
Landmassen erschaffen
Die grau-blaue Startansicht behandelt Inkarnate als Leere beziehungsweise Wasser, aus denen erst noch Landmassen gehoben werden müssen. Dafür ist das „Spaten“-Werkzeug zuständig, mit dem entweder Masse auf der Karte hinzugefügt oder entfernt werden kann. Über einen Schieberegler lässt sich die Größe des Spatens einstellen. So entstehen schnell Inseln oder Kontinente, aber auch filigrane Küstenlinien.
Mit dem „Pinsel“-Werkzeug kommt Farbe ins Spiel: Verschiedene Texturen stehen für die erstellten Landmassen zur Verfügung. Darunter finden sich Vegetations- und Landschaftstypen wie Tundra, Wüste, Grasland oder Ackerflächen, aber auch eine Auswahl kräftiger Farben. Damit sind die Voraussetzungen für naturalistische und auch politische Kartentypen gegeben. Wer mehr Auswahl braucht, kann eigene Texturen importieren.
Die Größe des Textur-Pinsels und die Übergänge zwischen den Texturen steuern erneut Schieberegler.
Icons und Beschriftungen
Mehr Leben kommt durch die „Objekt“- und „Muster“-Werkzeuge in die Karte. Als „Objekte“ stehen unter anderem Icons für Städte, Burgen oder Brücken, aber auch für dekorative Elemente wie Seeschlangen oder Windrosen zur Verfügung. Muster sind für Berge und Bäume zuständig. In beiden Fällen erlauben wieder Schieberegler eine einfache Anpassung der Größe. Beim Verteilen von Bergketten und Wäldern übernimmt das Tool auf Wunsch eine zufallsgenerierte Größenverteilung.
Die Objektauswahl ist ordentlich und hält für viele Standard-Landmarken einer Fantasy-Welt passende Motive bereit. Wer mehr Motive braucht oder einen bestimmten grafischen Stil einhalten will, kann eigene Objekte importieren.
Um alles ordentlich zu beschriften, stehen drei verschiedene Schriftarten (jeweils auch gefettet) zur Verfügung: die beiden schlanken, eher klassischen Serifenschriften Trajan Pro und Mason Serif sowie die fast serifenlose, etwas moderner anmutende Quadrata. Die Textfarbe kann beliebig aus dem RGB-Farbspektrum gewählt werden. Um die Lesbarkeit zu verbessern, lässt sich auch ein Schattenwurf konfigurieren.
Einmal platzierte Muster, Objekte und Textzeilen lassen sich per Auswahl-Funktion nachträglich wieder markieren und entfernen. Objekte und Textelemente können zudem nach Herzenslust verschoben, rotiert, vergrößert oder verkleinert werden. Was fehlt ist eine Rückgängig-/Wiederholen-Funktion – alle Änderungen müssen stets manuell ausgeführt werden.
Ebenen
Alle Elemente folgen in ihrer Anordnung einer festen Logik: Auf der untersten Ebene befinden sich Landmassen und ihre Texturen, darüber liegen Objekte, Muster und Textelemente. So entscheidet nicht der Zeitpunkt der Platzierung, welches Element von einem anderen verdeckt wird, sondern sein Typ. Eine Beschriftung kann so zum Beispiel niemals von einer später platzierten Bergkette überdeckt werden. Bei den Objekten lässt sich zudem nachträglich einstellen, welches Icon „vorn“ oder „hinten“ stehen soll.
Da sich Inkarnate Worlds explizit an Tabletop- und Pen-&-Paper-Rollenspieler wendet, lassen sich die Karten auch in quadratische oder sechseckige Hex-Felder einteilen:
Funktionen für Notizen, Zoom und den Export der Karte runden das Paket ab. Die Karten werden stets in 1024×768 px als JPEG-Datei exportiert. Das Format eignet sich zwar für den Gebrauch am Bildschirm und als DIN A4 Ausdruck für den Hausgebrauch, für alles Weitere ist das jedoch zu wenig.
Inkarnate Test: Fazit
Inkarnate Worlds löst sein Versprechen in jedem Fall ein: Mit diesem Tool kann wirklich jeder nach kurzer Einarbeitung sehr ansehnliche Karten produzieren. Das Ergebnis bleibt aber erkennbar ein Inkarnate-Produkt. Zudem schränken die Auswahl an Texturen, Objekten oder Schriftarten, die Exportfunktion und die Copyright-Gegebenheiten rdie möglichen Verwendungszwecke ein.
Allerdings ist Inkarnate auch gar nicht als Ersatz für Grafikschwergewichte wie Photoshop oder Gimp gedacht: Hier geht es schlicht darum, schnell und komfortabel eine hübsche Karte erstellen zu können. Das ist besonders für die Leiter privater Rollenspielrunden ein Gewinn, schließlich werden die Karten im Tool gespeichert und lassen sich auch weiterhin bearbeiten. Sie können also mit Kampagnen „mitwachsen“.
Und wer genug kreative Energie an den Tag legt, kann auch aus Inkarnate mehr herausholen, als es auf den ersten Blick scheint:
Die einzige Alternative Campaign Cartographer von ProFantasy bietet zwar viel mehr, will aber bezahlt werden und dürfte für die meisten Spielleiter schlicht zu viel des Guten sein.
Für andere Weltenbauprojekte ist Inkarnate ein gutes Tool für schnelle Entwürfe: Wer vor der Einarbeitung in komplexe Grafiksoftware zurückschreckt, kann Inkarnate hervorragend für Projekte nutzen, an denen sich nach wie vor ständig etwas verändert. Im schlechtesten Fall lässt sich eine Inkarnate-Karte in Photoshop oder Gimp leicht nachzeichnen.
Wie lange das Tool noch kostenlos bleibt, steht leider nicht fest. Da die Entwickler aber nur sehr langsam Fortschritte machen, dürfte das noch mindestens ein Jahr dauern. Sporadische Updates zum Entwicklungsstand veröffentlicht das Team auf Facebook.
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Klasse, dass du uns wieder mit Welten-Bauwissen versorgst!
Ich zumindest habs in der Zwischenzeit echt vermisst 🙂
Danke, das freut mich! Ich habe die Arbeit an Weltenbau Wissen selbst vermisst 😉
Hab es auch mal getestet. Wenn es mal möglich wird, wirklich große Karten zu machen, dann wäre es interessant. So kann man damit schön kleinere Kampagnen- oder Detailkarten machen. Mehr leider nicht.
Ja, die Auflösung ist ein großes Manko. Wer’s drauf anlegt, kann sich ja aus mehreren Einzelkarten was zusammenbasteln…
Sowas habe ich schon mal versucht…
Ist machbar…Aber grauenhaft…
Gut, mit dem Tool und den Raster könnte man es irgendwie hinbekommen, aber schön ist trotzdem was anderes.
Vielen Dank für diesen tollen Hinweis – als Fantasy-Autor hört man sowas seeehr gerne. Meinen Dank!
Sehr interessant. So etwas habe ich schon gesucht. Meine Karten habe ich bisher per Hand gemalt.