Wie kamen bekannte Weltenbauer auf ihre Ideen? In den „Schöpfungsgeschichten“ zeichnen wir die Entstehung spannender Welten nach. Den Anfang machen Frank Herbert und „Dune“.
Die Geschichte des Wüstenplaneten Arrakis beginnt 1957 mit der erfolgreichen Anpflanzung von Unkraut. Frank Herbert war zu dieser Zeit als Reporter für eine Zeitung in Seattle tätig und begann eine Recherche im US-Bundesstaat Oregon. Dem Landwirtschaftsministerium war es dort gelungen, wandernden Sanddünen, die regelmäßig Highways blockierten, mit der Anpflanzung von Gräsern Einhalt zu gebieten. Die auf den Kämmen angesiedelten Gräser stoppten die Erosion und damit die Sandbewegungen. Herbert hatte dazu eigentlich einen Artikel namens „They Stopped the Moving Sands“ geplant, doch zur Veröffentlichung kam es nicht mehr. Diese nachhaltige Veränderung der Umwelt hatte ihn auf die Idee zu Dune gebracht. Ab jetzt sollte es sechs Jahre dauern, bis er sein erstes Manuskript einem Verlag vorlegen würde.
Während „Der Herr der Ringe“ das unangefochtene Über-Werk der Fantasyliteratur ist, gibt es in der Science-Fiction-Literatur keinen vergleichbar durchschlagenden Erfolg. Mindestens 150 Millionen Mal ging „Der Herr der Ringe“ als Gesamtwerk bisher weltweit über die Ladentheke. Doch aus der Weltenbau-Perspektive kann Herbert es durchaus mit Tolkien aufnehmen: Die Geschichte rund um den Wüstenplaneten Arrakis greift auf so viele religiöse, politische und wissenschaftliche Themen zurück und reicht über einen so langen Zeitraum, dass das „Dune“-Universum vor Komplexität fast zu platzen scheint. Sechs Bücher veröffentlichte Herbert noch selbst, bevor sein Sohn nach seinem Tod die Notizen zum siebten und letzten Buch aufgriff und die Saga in zwei Büchern zu Ende brachte.
Die Welt von „Dune“
Das veröffentlichte „Dune“-Universum deckt mehr als 23.000 Jahre ab.
Die Veröffentlichungen von Frank Herbert und seinem Sohn Brian Herbert decken eine Zeitspanne von mehr als 23.000 Jahren ab und beginnen etwa 11.000 Jahre in der Zukunft unserer heutigen Erde. Im Alten Imperium hat die Automation von Prozessen mit Computern und Maschinen zu überbordender Dekadenz geführt. Schließlich reißen erst eine Reihe von Cyborgs (Cymeks), später die künstliche Intelligenz Omnius das Imperium an sich. Die Herrschaft der Maschinen endet mit Butlers Dschihad, einem Aufstand der Menschen. Fortan sind denkende Maschinen verboten und von Geistigen geächtet. Die fehlende Rechenleistung wird durch Mentaten, speziell ausgebildete Menschen, kompensiert, die auch komplexeste Operationen im Kopf abwickeln können.
Das neue Imperium wird von einem feudalen System regiert: Der Imperator setzt Adelshäuser zur Verwaltung von Planeten ein, denen wiederum niedere Adelsfamilien unterstehen. Zusammengehalten wird das Sternenreich durch die Raumgilde, die exklusiv den interstellaren Verkehr abwickelt und Systemschiffe, Waren, Menschen und Güter in ihren gigantischen Raumern transportiert. Ihre Navigatoren stehen permanent unter dem Einfluss der Droge Spice, die Vorsehung und so die Wahl des korrekten Kurses ermöglicht. Eine handfeste politische und gesellschaftliche Macht sind zudem die Bene Gesserit, eine Schwesternschaft, die ein geheimes genetisches Programm zur Steuerung der Menschheitsentwicklung verfolgt. Auch sie profitieren von den Fähigkeiten, die der Spice-Konsum mit sich bringt. Die Droge wird auf dem Wüstenplaneten Arrakis aus dem Rohstoff Melange gewonnen, sodass die unwirtliche Welt zum Dreh- und Angelpunkt der „Dune“-Saga wird. Interessanterweise kommt das Universum völlig ohne Außerirdische aus.
Herbert und sein Werk
Die Umweltbedingungen auf Arrakis und ihr Einfluss auf die dort lebenden Menschen sind ein zentrales Thema der Saga. Doch auch Religion spielt eine wichtige Rolle, so ist zum Beispiel die Orange-Katholische Bibel der geistige Nabel des Imperiums. Das Werk entstand während des Befreiungskrieg gegen die Maschinen und ist ein Schmelztiegel verschiedener Religionen, die Herbert wiederum aus den großen geistlichen Strömungen unserer Zeit weiterentwickelt hat. Dass zudem in einem feudalen System wie dem des Imperiums politische Intrigen viel Raum einnehmen, versteht sich fast von selbst.
Herberts Biografie spiegelt bereits alle Themen des Romans wider.
Diese Schwerpunkte sind kein Zufall. Herbert mag den entscheidenden Einfall zur Schöpfung des Wüstenplaneten bei der Recherche über die wandernden Dünen von Oregon gehabt haben, doch seine Biografie spiegelt bereits alle Themen wider: Er hatte Psychologie studiert und in den fünfziger Jahren als Ghostwriter und PR-Redakteur für Senats- und Kongresskandidaten gearbeitet. Während dieses Jahrzehnts besuchte er zweimal Mexiko, wo er sich mit Wüstenklima und Wachstumszyklen von Pflanzen beschäftigte und unwissentlich Halluzinogene konsumierte. Zudem war er religiös interessiert und pflegte unter anderen enge Kontakte zum Zen-Meister Alan Watts.
Am Ende war es vermutlich Herberts eigene Maxime, die aus diesen Erfahrungen das faszinierende Universum von Dune formte: Detailtiefe ging ihm über alles. Bevor er das erste Wort von „Dune“ zu Papier brachte, recherchierte er vier Jahre lang und sammelte Material. Der Umfang des Romans sprengte dann fast alles, was es seinerzeit an Science-Fiction-Literatur gab. Zwanzig Verlage lehnten sein Manuskript ab, bevor er bei Chilton unterkam, einem Haus, das vor allem für Autoreparaturanleitungen bekannt war.
Inzwischen hat sich Dune mit über zwölf Millionen verkauften Exemplaren eine herausragende Stellung in der Science-Fiction gesichert. Arthur C. Clarke, geistiger Vater von „2001: Odyssee im Weltraum“ urteilte einmal: „Einzigartig. Ich kenne nichts Vergleichbares außer den ‚Herr der Ringe‘.“ Trotz mehrerer Verfilmungen hat Herbert die popkulturelle Omnipräsenz von Tolkien jedoch nie erreicht. Wer „Dune“ bisher nicht kennt, sollte vor allem den ersten Teil lesen (auf Deutsch „Der Wüstenplanet“), der gemeinhin als bestes Buch des Zyklus gilt.
Mehr lesen:
- Jon Michaud: Dune Endures, The New Yorker
- fictionfantasy: Dune: Der Wüstenplanet (Zyklusübersicht/Zeitlinie)
Titelbild: „Arrival to Arrakis“, (CC BY-NC-ND 3.0) Ghostwalker2061/deviantART
Als Dune-Fanatiker kann ich nur sagen: Über Brian Herberts Machwerke sollte man lieber den Mantel des Schweigens breiten… 😀
Was Dune aus weltenbastlerischer Sicht auszeichnet, ist für mich der Fokus auf Themen, die sonst selten behandelt werden, das Verhältnis von Religion, Mystik, Politik und Ökonomie. Die Art und Weise, wie die Dialoge geschrieben sind – sehr großer Fokus auf Details, auf die Gedanken – , faszinieren mich und inspirierten mich immer wieder sehr.
Was diese Mixtur aus meiner Sicht so interessant macht: Es fehlt eigentlich das Klischee-Science-Fiction-Feeling. Raumfahrt kommt nur nebenbei vor, es geht nicht um Aliens oder irre Zukunftstechnik. Stattdessen dominieren Themen, die nahe an den Problemen unserer Welt sind.
Ahja: Dune ist unbedingt auf Englisch zu lesen. Es ist imho eines der Bücher, bei denen eine Übersetzung einfach nicht die Stimmung des Originals wiedergeben kann.
Danke für diese ausführliche Weltbesprechung zu Dune. Das Frank Herbert insgesamt sechs Jahre für sein Werk benötigt hat (+4 Jahre Vorlauf an Recherche?) beruhigt mich, weil ich bisher dachte, ich bin extrem langsam und viel zu detailverliebt. Sein Beispiel zeigt mir, dass ich vielleicht immer noch nicht tiefgründig genug bin (und auch nicht aufgeben darf^^).
Dass sein Sohn sein Werk vollendet hat, finde ich sehr romantisch und was mich noch fasziniert ist die Vorstellungskraft Herberts. Er hat schon 1950 an KI und Cyborgs gedacht – wirklich erstaunlich.
Habe den ersten Teil jetzt auf der Merkliste 🙂 Ich denke das ist eine gute Recherchevorlage für Religionsaufbau einer Welt 😉
Die Religion in „Dune“ ist extrem spannend angelegt, einen Einstieg gibt’s sogar auf Wikipedia: https://en.wikipedia.org/wiki/List_of_Dune_religions